Seitenpfad:

112.900 Vollzeit-Beschäftigte in unserem Bezirksverband arbeiten zum Niedriglohn

Arm trotz Arbeit: IG BAU kritisiert Lohn-Drückerei

arbeit in der floristik
05.10.2020 10:00:00
Presse Archiv

40 Stunden Arbeit pro Woche und trotzdem bleibt es klamm im Portemonnaie: Aktuell
arbeiten in unserem Bezirksverband ca. 20 Prozent aller Vollzeit-Beschäftigten im Niedriglohnsektor.
Insgesamt rund 112.900 Menschen erzielen trotz voller Stundenzahl ein Einkommen
unterhalb der amtlichen Niedriglohnschwelle von derzeit 2.350 Euro brutto im Monat (Wert
für Westdeutschland). Darauf hat die Gewerkschaft IG BAU hingewiesen. Die Zahlen
gehen aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Fraktion im
Bundestag hervor.

„Dass selbst eine Vollzeitstelle häufig nicht ausreicht, um finanziell halbwegs abgesichert
zu sein, ist alarmierend“, sagt Sabine Katzsche-Döring, Bezirksvorsitzende der IG BAU
Ostwestfalen-Lippe. In der Region zählten unter anderem die Landwirtschaft, die
Gebäudereinigung und die Floristik zu den Branchen, in denen besonders wenig gezahlt
werde. Grund dafür sei auch die schwindende Tarifbindung. „Je mehr Firmen aus
Tarifverträgen aussteigen, desto schlechtere Karten haben die Beschäftigten. Es droht
eine immer tiefere Spaltung des Arbeitsmarktes“, warnt Katzsche-Döring. Diese werde
durch die Corona-Pandemie teils verschärft: Beschäftigte im Handwerk könnten nur selten
Homeoffice machen. Wegen hoher Mieten in den Städten müssten sie zudem oft weite
Pendelwege in Kauf nehmen.

Die Gewerkschafterin ruft die Unternehmen im Kreis dazu auf, sich zu Mitbestimmung und
Tarifautonomie zu bekennen: „Die Sozialpartnerschaft ist ein Erfolgsmodell, das den
Beschäftigten – und den Betrieben – über Jahrzehnte wachsenden Wohlstand beschert
hat. Sie darf nicht unter die Räder kommen.“ Nach Untersuchungen der Hans-Böckler-
Stiftung profitieren davon auch die Firmen. In tarifgebundenen Unternehmen steige die
Produktivität, Mitarbeiter seien motivierter.

„Aber auch die Politik ist am Zug. Sie sollte mehr für die Tarifbindung tun“, erklärt
Katzsche-Döring und nennt das Beispiel des Maler- und Lackiererhandwerks: Dort haben
Gesellen Anspruch auf einen tariflichen Mindestlohn von 13,50 Euro pro Stunde. Diese
Lohnuntergrenze wurde von der Politik für die ganze Branche zur Pflicht gemacht. Zum
Vergleich: Der gesetzliche Mindestlohn liegt aktuell bei 9,35 Euro pro Stunde.

„Klar ist aber auch: Je mehr Menschen sich in den Gewerkschaften engagieren, desto
mehr lässt sich gegenüber den Arbeitgebern herausholen“, so Katzsche-Döring.